Wie kam es zur Idee einer flexibleren Urlaubsregelung?
Matthias: Die klassische Urlaubsregelung hat für uns nicht mehr in unser Firmenkonzept gepasst: Wir denken ergebnisorientiert, nicht zeitorientiert und wollten ein Konzept, das unseren Werten entspricht. Das hat uns zum Nachdenken gebracht: Was, wenn jemand mit seinem Urlaub nicht auskommt, weil er zum Beispiel Papa wird oder eine größere Reise machen möchte? Wir finden, alle haben die Berechtigung sich mehr als die im Kollektivvertrag festgelegten 25 Tage Urlaub zu nehmen.
Wie sieht das Konzept „unbegrenzte, bezahlte Urlaubstage“ bei SQUER im Detail aus?
Matthias: Bei unserem Modell werden die gesetzlichen Urlaubstage – wie in jedem anderen Unternehmen auch – erfasst und mit der Lohnverrechnung akkordiert. Sollte man über den gesetzlichen Rahmen Urlaub benötigen, gewähren wir bezahlten Sonderurlaub. Besonders wichtig ist es für uns, dass die Kommunikation mit dem Vorgesetzten hierbei auf Informationsebene stattfindet - die Absprache mit dem Team und die jeweilige Projektsituation stehen im Vordergrund. Plant man eine Auszeit oder längeren Urlaub über vier Wochen am Stück, wollen wir das über eine Sonderlösung wie zum Beispiel ein Sabbatical lösen.
Paul, wie hast du auf das neue Urlaubskonzept reagiert?
Paul: Ich finde die Regelung sehr cool und bin der Meinung, dass es sehr gut zu SQUER und der Firmenkultur passt. Das Konzept gibt mir die Flexibilität nicht zwischen zwei Wochen Urlaub im Herbst und Weihnachtsurlaub bei der Familie entscheiden zu müssen.
Gab es Inspirationen für die Regelung?
Matthias: Ja, während beispielsweise 1000things über ihre positven Erfahrungen mit unlimitierten, bezahlten Urlaub in einem Artikel von Karriere.at berichten, gibt es ein Statement vom ÖGB, der sich ganz klar gegen dieses Urlaubsmodell ausspricht. Grund dafür ist die Benachteiligung des Arbeitnehmers sollte weniger Urlaub als gesetzlich vorgeschrieben konsumiert werden, da dieser weder ausbezahlt noch ins nächste Jahr mitgenommen wird. Dieser Aspekt ist uns sehr wichtig und um dem entgegenzuwirken, haben wir unsere Regelung wie bereits erklärt gestaltet. ArbeitnehmerInnen sollten auf keinen Fall um ihren Urlaub kommen und ihn ins nächste Jahr mitnehmen können. Gleichzeitig ist es uns wichtig, dass Urlaub auch wirklich konsumiert wird - wir wollen durch unsere ergebnisorientierte Arbeitsweise keinen künstlichen Druck erzeugen, und fordern MitarbeiterInnen regelmäßig auf Auszeiten zu nehmen.
Paul, hat sich für dich etwas im Umgang mit Urlaub geändert?
Paul: Aufgrund privater Ereignisse habe ich dieses Jahr nicht vor, mir mehr als die gesetzlich vorgegebenen 25 Tage Urlaub zu nehmen. Allerdings plane ich in den nächsten Jahren eine längere Reise nach Südkorea und Japan und finde es super, mir keine Gedanken über den Rest des Jahres machen zu müssen.
Gibt es Grundvoraussetzungen, damit das Konzept auch wirklich funktionieren kann?
Paul: Die Reglung wurde während einer sehr intensiven Phase eines neuen Projekts eingeführt und ich hatte anfangs Zweifel, ob ich das Angebot aufgrund des damaligen Arbeitspensums nutzen kann. Mittlerweile ist das Projekt besser abschätzbar und meine Zweifel haben sich gelegt.
Matthias: Obwohl wir durch agile Softwareentwicklung versuchen Peaks zu vermeiden, ist der natürliche Projektverlauf leider nicht linear. Besonders durch unser Setup von stabilen Teams, die oft mehrere Projekte gleichzeitig betreuen, kann es zu stressigen Phasen kommen. Aber genau dafür soll diese Regelung da sein: Um sich nach stressigen Phasen mehr Zeit zur Erholung nehmen zu können.
Was würdet ihr anderen Unternehmen raten, die darüber nachdenken, ihre Urlaubsregelungen flexibler zu gestalten?
Paul: Damit es im Team klappt, darf es keine steilen Hierarchien geben. Die KollegInnen können meistens am besten entscheiden, ob ein zusätzlicher Urlaub gerade drinnen ist. Außerdem spielt meiner Meinung nach die Teamgröße eine entscheidende Rolle. Wenn das Team aus mehr als zehn Personen besteht, wird es schwer einen Konsens zu finden und die Hemmung, um Urlaub zu fragen, könnte zu hoch sein.
Matthias: Ich würde sogar sagen, dass das Team nicht größer als acht Personen sein sollte.
Wäre es unter diesen Voraussetzungen eurer Meinung nach in jedem Unternehmen umsetzbar?
Paul: Wenn Arbeitszeit und Output gleichgesetzt sind, wird das Konzept nicht funktionieren. Das würde ja dann bedeuten, dass ich durch vermehrten Urlaub die Qualität beziehungsweise den Output verringere.
Matthias: Die Regelung muss in ein überlegtes Gesamtkonzept eines Unternehmens passen. In Firmen ohne ergebnisorientierter Kultur und Empowerment wird das Konzept schwer erfolgreich umzusetzen sein. Auch darf der Urlaub nicht auf Kosten anderer gehen – wir sind in der glücklichen Lage uns gegenseitig entlasten zu können und auch mit weniger Personen über eine gewisse Zeitspanne den Betrieb sehr gut aufrechtzuhalten.
Die Regelung wurde vor drei Monaten eingeführt - Gibt es jetzt schon Unterschiede zu vermerken?
Matthias: Momentan können wir es noch nicht abschätzen. Ich würde mich freuen, das Gespräch in einem Jahr nochmals zu führen, um retrospektiv sagen zu können, welchen Effekt diese Regelung in unserem Unternehmen hat.